Auf dem Kongress „Bewegungen“ der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft haben phänomenologisch orientierte Forscherinnen und Forscher zum Thema „Verkörperungen: Phänomenologische Doppelbewegungen zwischen erziehungswissenschaftlicher Theorie und leiblichen Praxen in pädagogischen Feldern“ ein gut besuchtes Symposion (Verkörperungen. Phänomenologische DoppelBewegungen zwischen erziehungswissenschaftlicher Theorie und leiblichen Praxen in pädagogischen Feldern)  abgehalten.

Wie können bewegte Verkörperungen Thema von Forschungen werden? Ausgangspunkt die war phänomenologische Perspektive auf Verkörperung als kinästhetische Bewegung, die sich als Bezug des Leibes auf sich selbst und auf andere, auf materielle oder imaginäre Objekte sowie auf Geistiges richtet. Kinder, Jugendliche und Pädagog/-innen sind mit ihrem Körper in pädagogischen Situationen zu- und miteinander in Bewegung. Sie verkörpern sich in einer Wechselbewegung, in der auf Tätigkeiten, Ziele und Ansprüche der Anderen geantwortet wird.

Die Beiträge diskutierten das Konzept Verkörperung als Verschränkung von Körper und Leib im Kontext von Kognition, Sprache, Sinn und Sozialität. Sie nahmen den aktuellen internationalen Diskurs um Verkörperung in Auseinandersetzung mit den Neurowissenschaften, der poststrukturalistischen Diskurstheorie, der Hermeneutik und der Kultur- und Bildwissenschaft sowie der kulturwissenschaftlichen Zeige- bzw. Gestenforschung auf.

Ursula Stenger und Uta Thörner stellten in ihrem Vortrag „Verkörperungen: Leibliche Dimensionen von Kommunikation zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern in Kindertageseinrichtungen“ dar, wie pädagogische Situationen zwischen Fachkräften und Kindern in Antwort auf vorgängige kulturelle Strukturen und Normen entstehen. Im Anschluss an Merleau-Pontys und Nancys Überlegungen zu Sozialität und Körperlichkeit wurde dann das leiblich-körperliche Kommunikationsgeschehen zwischen Fachkräften und Kindern als Entstehung einer gemeinsam geteilten Welt in den Blick genommen. Diese leiblich-sozialen Konstitutionsprozess wurden anhand von Videos und Videoanalysen dargestellt.

Malte Brinkmann stellte eine Theorie verkörperten Verstehens vor (Pädagogisches Verstehen. Zur Theorie und Empirie einer interkorporalen Ausdruckshermeneutik).
Er versuchte zu zeigen, dass Verstehen als pädagogisches Verstehen eine Eigenlogik hinsichtlich der Erfahrungen im Lernen und Erziehen aufweist – mit einer Verschiebung hin zur Perspektive auf das Leibliche und auf die leiblich-bewegte Verkörperung. Er zeigte an Beispielen aus der Videographie: Verstehen ist eine interkorporale Praxis der responsiven Verkörperung, in der einerseits materiale und normalisierende Aspekte und andererseits performative und singuläre Aspekte auftreten.

Denis Francesconi (Universität Aarhus) hat in seinem Vortrag das Konzept Embodied Cognition theory (EC) als Forschungsprogramm im Zwischenraum von Kognitionstheorie und Phänomenologie vorgestellt. Dann hat er diese Sichtweise für die Praxis der mindfulness meditation als verkörperter Praxis in der Lehrerinnenbildung vorgestellt.

Sales Severin Rödel hat in seinem Vortrag „Geste, Stimmung und Bewegung – leibliche Dimensionen der Sozialität im Schulunterricht“ Gesten und Bewegungen im Schulunterricht als Verkörperungen untersucht, in denen sich Lehrende und Lernende auf eine bestimmte Weise selbst zeigen. Mit den Mitteln der Videographie wurden phänomenologische Perspektiven auf Atmosphäre und Situation für eine leib- und verkörperungstheoretische Unterrichtsforschung eröffnet.

Insgesamt zeigten die Beteiligung und die Diskussionen, dass die phänomenologische Perspektive in den Erziehungswissenschaften wieder größere Aufmerksamkeit bekommt. Ein Band zu dem Thema „Verkörperungen“ in der Reihe „Phänomenologische Erziehungswissenschaft“ ist Arbeit.

Malte Brinkmann