Monat: Februar 2017

Der „Elefant“ in „Phänomenologie“

Hier finden sie einen aufschlussreichen Artikel darüber, warum im chinesischen Begriff für Phänomenologie (现象学) das Zeichen für Elefant (象) enthalten ist (Artikel in englischer Sprache).

Einladung zum Workshop „Phänomenologische Videographie“

Die Abteilung Allgemeine Erziehungswissenschaft der HU Berlin lädt zu einem Workshop am 09.03.2017 ein. Interessierte auch von außerhalb der Humboldt-Universität können ebenfalls gerne teilnehmen (bitte bei Interesse an der Teilnahme eine kurze Email an: malte.brinkmann@hu-berlin.de).

Ich möchte Sie herzlich zu einem Workshop „Phänomenologische Videographie“ einladen. Wir wollen auf der Grundlage unseres phänomenologischen Ansatzes in einer Datensitzung Videomaterial analysieren. Das Thema diesmal ist „Achtsamkeit (Mindfulness, Awareness) als Interattentionales Geschehen im Horizont von Leib, Macht und Lernen“ interpretieren und analysieren. Ausgehend von der von uns entwickelten Theorie der Interattentionalität (s.u.) werden wir in einem ersten Schritt kurz wichtige Aspekte unserer Methodologie vorstellen und Fragen und Probleme diskutieren (Bitte lesen Sie vorbereitend die Texte unten). Vor allem wollen wir in einer anschließenden Datensitzung Videosequenzen gemeinsam analysieren und Überlegungen zu einer Theorie pädagogischer Achtsamkeit anstellen.
Zu diesem Denk-Kollektiv (Fleck) sind Sie herzlich eingeladen, Ihren anderen Blick einzubringen

Donnerstag, den 9.3., 14.00-17.00 Uhr, GS 7, Raum 235.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen! Bitte kurze Nachricht senden, damit wir planen können!

Herzliche Grüße
Malte Brinkmann

Methodologische Grundlagen:
1. Zur Videographie
Pädagogisch-phänomenologische Videographie. Zeigen, Aufmerken, Interattentionalität
2. Zur Phänomenologischen Methodologie
Phänomenologische Methodologie und Empirie in der Pädagogik. Ein systematischer Entwurf für die Rekonstruktion pädagogischer Erfahrungen
3. Zur Pädagogischen Empirie
Pädagogische Empirie. Phänomenologische und methodologische Bemerkungen zum Verhältnis von Theorie, Empirie und Praxis

Operationale Grundlagen
1. Zur Interattentionalität
Aufmerken und Zeigen. Theoretische und empirische Untersuchungen zur pädagogischen Interattentionalität

Günter Buck – Lernen und Erfahrung

Exzerpte aus der in Kürze erscheinenden Neuauflage von:
Günter Buck – Lernen und Erfahrung

Erfahrung bedeutet hier nicht Lernen als ein bloßes Kennenlernen, sondern als ein Dazulernen. Und dieses wiederum ist nicht ein bruchloses Anfügen von Kenntnissen, sondern wesentlich ein Umlernen. Die eigentlich belehrenden Erfahrungen sind diejenigen, bei denen man, wie man sagt, Lehrgeld bezahlt, d.h. die sogenannten negativen. Daran, dass die „negativen“ Erfahrungen dennoch belehrend, d.h. gerade „positive“ sind, zeigt sich am besten, dass man die Erfahrung noch gar nicht eigentlich „gemacht“ hat, ehe man aus ihr lernt. Man muss seine Erfahrungen schon so machen, dass man aus ihnen lernt. Der Unbelehrbare ist nicht einer, der nichts dazulernt, obwohl er Erfahrungen macht, sondern einer, der keine Erfahrungen macht, obwohl ihm so manches passiert

(Buck 2017, S. 23).

Denn zu jenem Erfahrungsbegriff gehört gerade die Einsicht in die Bedeutung der negativen Instanzen […]. [Husserl bestimmt] die negative Erfahrung als Enttäuschung (einer Erwartungsintention) […]. „Enttäuschung“ ist keine Charakteristik, die in passender Weise beschriebe, was geschieht, wenn z.B. eine Hypothese durch das Experiment falsifiziert wird. […] Enttäuschung charakterisiert das lebensweltliche Erfahrungsgeschehen und besonders diejenige Erfahrung, die wir Lebenserfahrung nennen. Husserl sagt einmal, wir seien von der negativen Erfahrung „persönlich betroffen“ (Husserl 1939/148, S. 351). Darin steckt ein Hinweis auf den geschichtlichen Charakter dieser Erfahrung. Eine Erfahrung, durch die man persönlich betroffen wird, richtet sich nicht nur auf einen Gegenstand, mit dem es sich anders verhält, als man geglaubt hat. Sie ist eine Erfahrung, die man vorzüglich über sich selbst macht, auch wenn es Dinge oder Menschen sind, die anders sind, als man erwartet hat. Deshalb verhält man sich auf Grund einer solchen Erfahrung nicht nur zu den Dingen und Menschen, sondern vor allem zu sich selbst in neuer Weise. Die Enttäuschung ist ein positives Moment in der Geschichte des Erfahrenden. Nicht nur der vermeinte Gegenstand, sondern unser Erfahrenkönnen selbst wandelt sich.

(Buck 2017, S. 85).

Die negative Erfahrung ist dasjenige Lernen, von dem Nietzsche bemerkt, es erhalte uns nicht bloß, sondern verwandle uns. Nicht nur der Gegenstand der Erfahrung stellt sich anders dar, sondern das erfahrende Bewußtsein selbst kehrt sich um. Das Werk der negativen Erfahrung ist ein Sich-seiner-bewußt-Werden. Wessen man sich bewußt wird, das sind die in der seitherigen Erfahrung leitenden und als leitende unbefragt gebliebenen Motive. Die negative Erfahrung hat so primär den Charakter der Selbsterfahrung, die frei macht für eine qualitativ neue Art der Erfahrung.

(Buck 2017, S. 64).

Literatur:
Günther Buck (2017, im Erscheinen): Lernen und Erfahrung. Epagoge, Beispiel und Analogie in der pädagogischen Erfahrung. (Neuauflage), hg. v. Malte Brinkmann. Band 5 der Reihe „Phänomenologische Erziehungswissenschaft“. Hrsg. v. Brinkmann, Malte/Lippitz, Wilfried/Stenger, Ursula. Wiesbaden: Springer VS.

Husserl, Edmund. 1939/1948. Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik. Herausgegeben von Ludwig Landgrebe. Prag.

Schenk, Sabrina/ Pauls, Torben (Hrsg.) (2014): Aus Erfahrung lernen. Anschlüsse an Günther Buck. Paderborn: Ferdinand Schöningh.