Berlin-Neukölln, Ganghoferstr. │ 16.04.2018 (Foto: Denise Wilde)

In jüngerer Zeit etablieren sich Audiowalks als ein neues künstlerisches Format der Wissensvermittlung und -aneignung im Stadtraum. Bei diesen akustisch begleitenden Touren werden Gehen, Sehen und Hören gezielt mit der Entdeckung des Stadtgebietes und der Informierung über Stadtgeschichte oder Themen wie beispielsweise Architektur, Typographie, Geschlecht, Körper, Zeit oder Einkaufswelten verbunden. Sie sind für einen phänomenologischen Zugang interessant, da sie auf besondere Art und Weise im gehenden, sehenden und hörenden, aber auch tastenden und schmeckenden Erfahren die Thematiken von Körper, Leib, Ding, Materialität, Individuum, Gesellschaft, Zeitlichkeit und Räumlichkeit ansprechen. Mithilfe eines mobilen Audiogerätes (z.B. Mobiltelefon, MP3-Player, Tablet), auf welches eine vertonte Anleitung und Verlaufskarte heruntergeladen werden, kann der Gang des Audiowalkers oder der Audiowalkerin sofort beginnen.

Das Format Audiowalk bedient sich hierbei der Tatsache, dass sich jedes Individuum im öffentlichen städtischen Raum bewegt und aufhält mit dem Ziel, dieses Da-Sein während eines Walks einmal anders einzubinden, um somit die Wahrnehmung und Beobachtung zu öffnen. Der Blick und das Gehör werden während des Gehens aufmerksam für das Unentdeckte, Verborgene oder auch Alltäglich-Triviale. Spazierend, flanierend und/oder gehend wird die Stadt zu-gänglich; das Übersehene und Überhörte wird im Gehen erfahrbar. Dabei wird beim Audiowalk der Gang des Erfahrens zwar akustisch begleitet, aber doch nicht einfach nur geleitet: Durch das Anhalten, Stehenbleiben, Verweilen und das Drücken der Stopp-Taste können die Gehenden sich während des Walks immer wieder in eine neue, eigens gewählte Position zu ihrer Umgebung begeben und währenddessen etwas über historische, wissenschaftlich erforschte wie biographisch erlebte Stadt- und Wissensgeschichte(n) erfahren.

Theoretisch greift der Audiowalk sowohl auf künstlerische, kulturwissenschaftlich-soziologische, literarische als auch philosophische Ideen des Flanierens (vgl. beispielsweise hierzu die Überlegungen Walter Benjamins und Zygmunt Baumans), des Gehens (vgl. Frédéric Gros „kleine Philosophie des Gehens“) und des Spazierens (vgl. Jakob Flachs „Von der Kunst des Spazierengehens“, Ilja Trojanow, Henry David Thoreaus Essay über das Spazieren, die Arbeiten von Lucius Burkhardt und Bertram Weisshaar zur Promenadologie sowie von Gudrun M. König zur Kulturgeschichte des Spaziergangs) als Lebensform zurück. Der Audiowalk eignet sich sowohl für individuelle Beobachtungsgänge als auch für gemeinsame Streifzüge durch die Stadt, da die körperlich-leibliche Begegnung mit und der Austausch über das Gehörte, Gesehene und Erlaufene (und auch Erschmeckte und Ertastete) gleichermaßen statthaben können.

Gehen, Spazieren und Flanieren: Das Format Audiowalk als Erfahrungsgang entschleunigt den Schritt, belebt Perspektiven und Sichtweisen und schafft für das Ohr Klänge und Stimmen jenseits einer pulsierenden Stadt voller Hektik, akustischer Reize und Lärm.
→ Benötigte Technik und Material

  • Mobiles Audiogerät (z.B. Mobiltelefon, MP3-Player, Tablet)
  • Kopfhörer
  • Drucker, um Verlaufskarte auszudrucken

→ Audiowalks in Berlin
Drei Audiowalks, die im Rahmen des Exzellenzclusters „Bild, Wissen, Gestaltung“ an der Humboldt-Universität zu Berlin zu unterschiedlichen Feldern entstanden sind.

Überblick über weitere historisch-politische Touren für Mobiltelefon & Co oder Tablet in und um Berlin

→ Audiowalks in anderen Städten
Memory Loops im Münchener Stadtraum

Denise Wilde